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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 11 (Augustheft 1929)
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grenzung ohne wesentliche Bedeutnng. —
Die Ansstellung ist sehr schätzbar als Jn-
formation über einige Persönlichkeiten
der gegenwärtigen Pariser K u n st.
Die meisten der „Ausländer", die sie vor-
sührt, leben in Paris — und leben gei-
stig von Paris; so Kisling, Pascin,
Kars, Togores, de la Serna, Grüne-
wald, Chagall usw. Aber sie zeigen ge-
rade dadurch, wie viel daS Kunstzenwum
Paris heute wieder bedeutet, und dies
keineswegs bloß aus der Linie der Uhde-
schen Kartoffelbrater und Haushälterin-
nen. Was diese Stadt heute in den Kün-
sten bringt, hat immer einen betonten
Zug von geistiger Freiheit, bis zu jener
Jrom'e hinüber, wie sie bei Souverbie,
Ozenfant, Ossip Zadkine zutage tritt. Die
deutsche Malerei wirkt daneben gebun-
den, dämonisch, erdschwer, zum Teil so-
gar vertrackt, zornig, besessen; selten steht
in ihr ein gelöstes, freies Wort. Das
wird wohl von dem Druck her, unter dem
wir seit einem Jahrzehnt leben, zu ver-
stehen sein. Es kommt in Darmstadt
hinzu, daß gerade die deutsche Kunst un-
zulänglich vertreten ist. Es sehlen die
Gipfelpunkte, und das Dorhandene
scheint nicht mit sicherem Blick geordnet.
Souverbies romantisch-ironisches
Dichtertum, Kislings blühende Farbe
und durchleuchtete Sinnlichkeit, Ozen -
fants pralle und hestige Linie, Des -
piaus großartige, verhaltene Noblesse,
Georg Kars' geistig durchglänzte Dies-
seitigkeit, de la Sernas tragische
Schwermut — das alles sind Töne,
Schwingungen, Temperamente, denen die
Deutschen weniges von gleicher Entschie-
denheit entgegenzusetzen haben. Man
sieht zwei ältere Hofers von großem
Reiz der Farbe, einen krastvollen Otto
Beckmann, einen geistreich-sprihigen
(aber sreilich auch in ausländischer Lust
gediehenen) Rudols Levy, einen edlen
Torso in Granit von Harold W i n t e r,
eine stille, seingespannte Knabensigur von
Alsred L ö r ch e r. Aber Charlotte Be-
rend, Pechstein, E. L. Kirchner, Heinrich
Nauen, Felixmüller, Davringhausen,
Mense — wie ist das alles teils schwach,
teils grell und überschrien! Und wie slau
das Gesamtbild! Natürlich kommt dies
zum Teil daher, daß die Namhafteren
nach Darmstadt nicht gerade ihre besten
Stücke gesandt haben — wenn sie es
ni'cht vorzogen, überhaupt serne zu blei-
ben. Aber es hängt zum größeren Teil

damit zusammen, daß unser ganzes Kunst-
schassen unter Druck steht und die Mar-
ken dieses Druckes deutlich zur Schau
trägk: die Unruhe, das grelle Lachen, die
Grollgesühle gegen Welt und Menschen,
die Unsicherheit im geschöpslichen Leben,
die nervöse Schwäche. Möchten uns die
kommenden Jahre allmählich wieder die
Heiterkeit und arglose Geistfreude brin-
gen, in der allein die überzeugende Form,
der lebensvolle Ausdruck der lichten wie
der dunklen Dinge gedeihen kann!

Die Darmstädter halten sich in diesem
Zusammenhang mit Ehren. Well Ha-
bichts Mädchensignr ist srei und leicht;
gutgeborenes Geschöps einer eingebungs-
vollen Stunde. Alexander Poschs Dop-
pelakt, in der Nähe von Schwalbachs Art
stehend, zeigt eine besonnene, kultivierte
Hand. Gottsried Diehl bringt ein
eigenartiges Raumerlebnis überzeugend
zur Anschauung. Adam Antes zeigt in
einer Frauenfigur Geschmack und sinn-
liche Empsindung.

Bei allem, was an Einschränkendem über
die Ausstellung zu sagen war, wäre es
unrecht, zu verschweigen, daß sie eine neue
Ausrasfung im Darmstädter Ausstel-
lungsleben bedeutet. Jhre insormatori-
schen Verdienste sind nicht anzuzweiseln;
sie geben der Ausstellung weit über
Darmstadt hinaus Gewicht und Anzie-
hungskraft. Wilhelm Michel

Bemerkungcn zur Ausstellung „Die
wacksende Wohnung"

ie Arbeitsgemeinschaft deö deutschen
Werkbundes für Köln und die Rhein-
lande hat auf dem durch die vorjährige
Pressa-Ausstellung bekannten Gelände am
Rhein eine Ausstellung veranstaltet, die
von dem Gedanken ausgeht, daß sich die
Lebensbasis eines mit bescheidenem Ein-
kommen gegründeten Haushaltes allmäh-
lich verbreitert. Dementsprechend wer-
den vier Wohnstadien vorgesührt, die
sich von vier Jahren zu vier Jahren mit
dem Beziehen einer neuen Wohnung er-
geben. Jn der rauhen Wirklichkeit scheitert
die Lösung des hier gestellten Problems
leider wohl meist an der Schwierigkeit, m
diesen Zeiten der Wohnungsnot erst eine
Zweizimmer-, dann nach vier Jahren eine
Drei- und nach weiteren vier Jahren eine
Vierzimmerwohnung zu finden. Aus die-
ser wirtschaftli'chen Not unserer Zeit sucht
dieAusstellung eineArt ästhetischerTugend

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